2022
Digitale Materialpässe im Kontext von Cradle to Cradle
Ob Wohnhaus, Konzertsaal, Waschmaschine, Bühne, Mischpult oder Pommesbude: Wir Menschen haben uns eine technische Umwelt geschaffen, die heute meist linear funktioniert. Das hat Konsequenzen. In der EU landen jährlich rund vier Millionen Tonnen Elektronik- und Elektrogeräte im Müll. Die Geräte werden gesammelt und zerlegt, was aber aufgrund ihrer Bauweise mit vielen Mischmaterialien oder verlöteten Bestandteilen nicht sortenrein möglich ist. Edel- und Sondermetalle landen dann unter Umständen in Materialgruppen, aus denen sie nicht zurückgewonnen werden können – und werden beispielsweise gemeinsam mit Kunststoffteilen verbrannt. Auch das Bauwesen funktioniert linear und ist aus diesem Grund einer der ressourcen- und müllintensivsten Wirtschaftssektoren. In Deutschland verursacht die Branche über die Hälfte des gesamten jährlichen Abfallaufkommens. Außerdem entfallen 35 % des Energieverbrauchs und rund 30 % der gesamten CO2-Emissionen in Deutschland auf den Bausektor. Insgesamt also eine ziemlich schmutzige Angelegenheit. Doch gerade, weil der Bausektor einen so großen Impact hat, ist das Potenzial für eine Kreislaufwirtschaft nach Cradle to Cradle (C2C) in dieser Branche besonders groß.
Dafür muss bereits bei der Planung von technischen Produkten in Kreisläufen gedacht werden – ob Mischpult oder Gebäude. Bei der Auswahl von Materialien oder Baustoffen ist entscheidend: In welchem Nutzungsszenario wird dieses Material verwendet? Landen das Material oder sein Abrieb in der Umwelt? Dann muss das Material auch für biologische Kreisläufe geschaffen sein. Wenn nicht, dann muss das Material sortenrein recycelbar sein.
Die C2C-inspirierte, gebaute technische Umwelt ist eine Materialbank. In ihr werden Ressourcen für eine bestimmte Zeit gelagert, dann wieder entnommen und als Nährstoff für etwas Neues verwendet. Diese Kreislaufführung funktioniert nur dann nahtlos und vollständig, wenn alle qualitativen und quantitativen Eigenschaften eines Produkts, Informationen über seine Lieferkette, die Umstände der Produktion und wann sich welches Material an welchem Ort befindet, bekannt sind – von der Rohstoffentnahme bis hin zum Verkauf. Diese Informationen können in digitalen Materialpässen und digitalen Zwillingen, also einem 3D-Abbild eines Produkts, transparent dargestellt werden und so letztlich die Kreislaufführung aller Ressourcen ermöglichen.
Vorläufiger Materialpass: