2022/2024
Textilien im Kontext von Cradle to Cradle
Kompletter Verzicht auf Textilien? Das wäre wohl eine ziemlich kalte (und nackte) Angelegenheit. Wir brauchen Kleidung, um uns zu schützen, zu wärmen und letztendlich auch als Ausdruck unserer Selbst und unserer Kultur. Und Nutztextilien wie Teppiche, Vorhänge oder Bezugsstoffe kommen in zahlreichen Branchen zum Einsatz. Eine reine Verzichtsstrategie ist im Textilbereich also keine Lösung. Umso entscheidender ist daher die Frage, wie wir Textilien herstellen.
Die Textilindustrie ist heute eine der umweltschädlichsten und ressourcenintensivsten Industrien der Welt. Für Rohstoffe wie konventionelle Baumwolle werden enorme Mengen Wasser verbraucht, schädliche Chemikalien und Pestizide genutzt und große Flächen benötigt. Bei der Verarbeitung zu einem Textil kommen schadstoffhaltige Farben oder Veredelungschemikalien hinzu. Außerdem ist die globale Textilindustrie der Sektor mit dem höchsten Risiko für Kinder- und Zwangsarbeit, unzureichenden Arbeitsschutz und die Nichteinhaltung von Mindestlöhnen. Und was passiert mit unserer Kleidung, nachdem sie unter prekären sowie umwelt- und gesundheitsschädlichen Umständen produziert wurde und wir sie (vielleicht nur für kurze Zeit) getragen haben? Sie landet auf dem Müll. Weltweit enden jährlich 92 Millionen Tonnen Textilien auf Mülldeponien.
Wie kann also eine Textilindustrie aussehen, die Mehrwerte schafft? Textilien sind Verbrauchsgegenstände, da beim Waschen und Tragen unweigerlich Abrieb entsteht und sich Fasern lösen. Jeder Bestandteil, vom Gewebe über das Garn bis zur Druckfarbe, muss also aus Materialien bestehen, die biologisch abbaubar sind. Knöpfe oder Reißverschlüsse müssen so designt sein, dass sie recycelt werden und in technischen Kreisläufen zirkulieren können. Da wir Kleidung jeden Tag auf der Haut tragen, müssen die Textilien auch für Hautkontakt designt sein und dürfen nur Inhaltsstoffe enthalten, die gesundheitlich unbedenklich sind. Deshalb ist Kleidung aus Meeresplastik, die man immer häufiger kaufen kann, auch keine besonders gute Idee. Die ursprünglichen Kunststoffe wie Plastiktüten, Fischernetze oder Autoreifen waren nie dafür gedacht, dass wir sie auf der Haut tragen. Sie enthalten meist schädliche Weichmacher oder Farbstoffe und reichern sich im Wasser zusätzlich mit Schadstoffen an. Außerdem trägt dieser Trend zu unserem Mikroplastikproblem bei. Auch Textilien aus Ocean Plastic verlieren bei jedem Waschgang tausende Mikrofasern, die dann genau dort landen, wo sie herkommen und eigentlich nicht hingehören: im Meer.
Kreislauffähige Kleidung aus gesunden Materialien – ob synthetischen oder natürlichen Ursprungs –, die unter fairen Arbeitsbedingungen produziert wird, ist keine Utopie, sondern wird bereits von einer Reihe von Unternehmen praktisch umgesetzt. Von großen Textilkonzernen bis zu kleinen Fashion-Start-ups haben mehr und mehr Unternehmen verstanden, dass eine C2C-Produktion nicht nur ökologisch notwendig ist, sondern sich auch wirtschaftlich lohnt. Vom Band-T-Shirt bis zur Ripped Jeans wird C2C-Kleidung künftig hoffentlich das neue Normal sein. Gut aussehen und Gutes tun ist möglich.